Händler verkauft als Privatperson! Zulässig?

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Erik.Ode
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Beitrag von Erik.Ode »

aldorado hat geschrieben: Und genau hier liegt des Pudels Kern bei der Vertragsformulierung "Verkauf unter Ausschluß der Gewährleistung" oder "gekauft wie gesehen", wenn ein gewerblicher Verkäufer an einen privaten Käufer verkauft.
Ich hatte es in einer anderen Sache schon mal geschrieben; es gibt einen einfachen Grundsatz:

"Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt !" Stichwort dazu wäre Rechtssicherheit oder Rechtsstaatsprinzip.
http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtssicherheit

Was ich damit sagen will, ist folgendes(ich wiederhole mich):

Natürlich hat der Gesetzgeber an den Verbraucherschutz mit den o.g.
Formulierungen gedacht. Ich sehe aber kein Problem, Verträge mit gegenseitigem Einverständnis zu ergänzen oder zu ändern. Das ist bei Mietverträgen, Arbeitsverträgen usw. möglich. Warum sollte das bei Kaufverträgen nicht möglich sein ? Leuchtet mir nicht ein. Von daher würde ich die Vereinbarung in den Vertrag mit aufnehmen und besiegeln.
Ich habe noch keine Vorschrift gesehen/gelesen, die explizit eine Zusatzvereinbarung mit gegenseitiger Zustimmung verbietet.
Das würde nach meinem Dafürhalten eindeutig gegen die Vertragsfreiheit verstoßen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Vertragsfreiheit

Andere Meinungen dazu ?
Gruß Erik.Ode
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aldorado
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Beitrag von aldorado »

Hallo Erik.Ode!

Das mit dem Verstoß gegen die Vertragsfreiheit sehe ich genauso wie du - der Gesetzgeber sollte eigentlich in solchen Sachen niemanden zu seinem Glück zwingen - tut er aber doch:

BGB: Untertitel 3 - Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 - 479)

§ 474 - Begriff des Verbrauchsgüterkaufs
(1) Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache (Verbrauchsgüterkauf), gelten ergänzend die folgenden Vorschriften. (...)

§ 475 Abweichende Vereinbarungen
(1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. (...)

:idea: §475 heißt auf gut Deutsch: Ich kann als Verbraucher jedweden vertraglichen Haftungsausschluß des gewerblichen Verkäufers getrost unterschreiben - zumindest vor Auftritt des Mangels. Ist der Mangel dann erst mal da, verklage ich ihn einfach und lasse die Klauseln, die ich unterschrieben habe, für unwirksam erklären!

...da ist man platt!!! Soviel zur Vertragsfreiheit :-(

Für mich als Verbraucher also eine ideale Sache - für den Verkäufer aber solange eine tickende Zeitbombe, wie nicht der gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungszeitraum abgelaufen ist; ich könnte ja jeden Tag bei ihm auf dem Hof stehen und mit meinem ungültigen Vertrag winken. Und diese Unsicherheit muß ich dem Verkäufer nehmen können.


ECBerlin: deinen Tip werde ich wohl auch noch verfolgen - danke.
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Erik.Ode
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Geltungserhaltende Reduktion

Beitrag von Erik.Ode »

Sorry, aber ich sehe das immer noch etwas anders. Der § 475 BGB beschreibt nicht die Situation von freien vertraglichen Vereinbarungen. Es ist also möglich, freiwillig auf Leistungen zu verzichten.

Du hast dich auch noch nicht zu folgender Aussage geäußert:

Um die gesetzliche Gewährleistung auszuschließen, werden von Gebrauchtwagenhändlern gelegentlich Vereinbarungen getroffen, denen zufolge das Fahrzeug als Bastlerfahrzeug, zum Ausschlachten oder als Schrott verkauft wird. Solche Vereinbarungen sind zwar grundsätzlich zulässig, wenn sie tatsächlich gewollt sind und mit der Realität übereinstimmen.
http://www.abc-recht.de/ratgeber/auto/f ... hrzeug.php

Der Begriff "grundsätzlich" beschreibt nämlich genau diese Situation. Der Verbraucherschutz wird vorranging angestrebt. Im Einzellfall "kann" aber davon abgewichen werden.
:!: Geltungserhaltende Reduktion :!:
Zuletzt geändert von Erik.Ode am 19.04.2008, 16:33, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Erik.Ode
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Erik.Ode
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Beitrag von Erik.Ode »

aldorado hat geschrieben: :idea: §475 heißt auf gut Deutsch: Ich kann als Verbraucher jedweden vertraglichen Haftungsausschluß des gewerblichen Verkäufers getrost unterschreiben - zumindest vor Auftritt des Mangels. Ist der Mangel dann erst mal da, verklage ich ihn einfach und lasse die Klauseln, die ich unterschrieben habe, für unwirksam erklären!
Eine geltungserhaltende Reduktion bei § 475 Abs. 3 BGB sollte nach Ansicht von Deckenbrock und Dötsch zulässig sein

Zusammenfassung von "Geltungserhaltende Reduktion bei § 475 Abs. 3 BGB?" von Christian Deckenbrock u. Wolfgang Dötsch, original erschienen in: ZGS 2004 Heft 2, 62 - 64.

Werden im Rahmen von AGB (§§ 305 ff. BGB) unzulässige Klauseln verwendet, wird die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften aus Gründen des Verbraucherschutzes allgemein für unzulässig gehalten. Deckenbrock und Dötsch untersuchen, ob sich diese Grundsätze auf die Vorschrift des § 475 BGB übertragen lassen.

Während § 475 Abs. 1 BGB den Schutz der §§ 305 ff. BGB für den Verbrauchsgüterkauf auf individualvertragliche Abreden vor Mitteilung eines Mangels ausdehnt, schränkt § 475 Abs. 3 BGB diesen Schutz wiederum für den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen ein. Hieraus ergibt sich das Problem, ob bei einem Ausschluss jeglicher Gewährleistungsansprüche durch individuelle Abrede in Schadensfällen wenigstens die Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind. Das Problem stellt sich deshalb, weil es sich hierbei um einen Fall der geltungserhaltenden Reduktion handeln würde, welche in den Fällen der AGB allgemein für unzulässig gehalten wird.

Deckenbrock und Dötsch unterscheiden hier zwei Fälle: Unproblematisch zulässig ist der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen ihrer Meinung nach dann, wenn sich diese Regelung in der Abrede begrifflich von den übrigen Gewährleistungsausschlüssen trennen lässt (sog. blue-pencil-Methode). Dieser Fall wird im AGB-Recht ähnlich gehandhabt. Sind die einzelnen Abreden jedoch begrifflich unteilbar (Bsp.: "Jegliche Gewährleistung ist ausgeschlossen."), ist die Lösung nach Ansicht der Autoren problematisch.

Die Argumentation verläuft über den Wortlaut der Norm und seine Entstehungsgeschichte über einen Vergleich zum Ausschluss der Vorsatzhaftung nach § 276 Abs. 3 BGB bis hin zu einer teleologischen Auslegung des § 475 BGB im Wege des Vergleichs mit dem AGB-Recht. Im Ergebnis halten Deckenbrock und Dötsch den Verbraucher auf Grund der individualvertraglichen Abrede für weniger schutzwürdig als im Falle der §§ 305 ff. BGB und sprechen sich daher für eine geltungserhaltende Reduktion in den Fällen des § 475 Abs. 1, Abs. 3 BGB aus.

Bewertung:

Das Problem dürfte für sowohl für die Ausbildung als auch für die Verbraucherschutzpraxis an Relevanz gewinnen. Seine kurze und bündige Darstellung durch die Autoren sowie ihre Argumentation überzeugen.

Dieser Beitrag wurde erstellt von Jochen Notholt.

http://www.lexisnexis.de/aktuelles/?showaktuelles=43283

P.S. Sehe mich in meiner Meinung teilweise bestätigt.............
Gruß Erik.Ode
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aldorado
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Beitrag von aldorado »

Hallo Erik.Ode!

Ich denke, § 475 ist grunsdsätzlich erst einmal eindeutig:
Wenn der vor Eintritt des Mangels geschlossene Vertrag (also der Vertrag, der nicht konkret auf einen bereits bestehenden Mangel verweist kann, weil er noch nicht offenkundig ist), eine Vereinbarung zum Nachteil des Kunden beinhaltet (und der Verzicht auf die Gewährleitung ist ein Nachteil zulasten des Kunden), kann sich der Unternehmer nicht auf diese Vereinbarung berufen (er kann also nicht auf die Einhaltung dieser Vereinbarung bestehen). Diese Vorschrift findet auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen wird (also, welche Formulierung ich wähle).

Nun mag der Gesetzgeber durch seine Formulierung eigentlich versucht haben, daß ein Kunde insbesondere durch im versteckte Formulierungen im Kleingedruckten oder durch eine ihm unverständliche Wortwahl innerhalb des Vertrags nicht ausgetrickst wird und deshalb auf etwas verzichtet, was er eigentlich überhaupt nicht wollte - vielleicht ist das also etwas, was durch die laufende Rechtssprechung inzwischen relativiert worden ist (also dein Verweis auf Deckenbrock und Dötsch), aber wir merken ja selbst an dieser Stelle, auf was für wackeligem Boden wir (als Nicht-Juristen) uns bewegen. Soll ich erst mit einem Händler eine lange Diskussion über die mögliche Auslegung von Paragraphen führen?

Und das andere, was du schreibst ("..Solche Vereinbarungen sind zwar grundsätzlich zulässig, wenn sie tatsächlich gewollt sind und mit der Realität übereinstimmen"): du schreibst es ja selbst - WENN sie mit der Realität übereinstimmen. Was bei meinem zukunftigen Auto eigentlich nicht der Fall sein soll :wink:
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Erik.Ode
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Beitrag von Erik.Ode »

aldorado hat geschrieben:vielleicht ist das also etwas, was durch die laufende Rechtssprechung inzwischen relativiert worden ist (also dein Verweis auf Deckenbrock und Dötsch), aber wir merken ja selbst an dieser Stelle, auf was für wackeligem Boden wir (als Nicht-Juristen) uns bewegen.
Wahrscheinlich liegt die Wahrheit mal wieder in der Mitte.
Es besteht ja noch die Möglichkeit einen Präzedenzfall / eine Grundsatzentscheidung herbei zu führen............. :wink:
Gruß Erik.Ode
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aldorado
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Beitrag von aldorado »

Das soll aber bitte jemand anders machen... :-)
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